Liebe Engagierte der Stelle für jesidische Angelegenheiten,

aufgrund der zahlreichen Presseberichte wurde ich von Jesidinnen & Jesiden gefragt, warum ich derzeit trotz der Leitung des Sonderkontingentes für 1.100 besonders schutzbedürftige Frauen und Kinder aus Kurdistan-Irak in 2015/16 kein Bundesverdienstkreuz annehmen möchte.

Ich sehe vielerorts weiterhin einen kulturellen Genozid

Die Antwort möchte ich über die Stelle für jesidische Angelegenheiten geben, „weil“ mir das Schicksal der jesidischen Menschen auch weiterhin viel bedeutet. Zu Recht habt Ihr Euch gemeinsam mit anderen beim Deutschen Bundestag dafür eingesetzt, dass unser Parlament die terroristische Gewalt gegen das Jesidentum als Genozid anerkennt. Auch ich habe dafür als Gutachter in bereits mehreren Gerichtsprozessen gegen Mitglieder von Daesh plädiert. Für mich ist völlig klar, dass zwar nicht die Mehrheit der muslimischen Menschen, aber sehr wohl mächtige Radikale die Vernichtung des Jesidentums betreiben und Angehörige Eurer Religionsgemeinschaft weiterhin diskriminieren, bedrohen und mit Zwang oder auch Gewalt bekehren wollen. Ich sehe vielerorts weiterhin einen kulturellen Genozid.

Deswegen habe ich mich über die einstimmige (!) Anerkennung des Genozids durch den Deutschen Bundestag sehr gefreut – und bin traurig, dass daraus bisher kein Rechtsschutz abgeleitet wurde. Wie kann es sein, dass auch Jesidinnen und Jesiden aus Deutschland abgeschoben werden, die die Gesetze achten, sich ehrlich integrieren und ihre Kinder in die Schulen schicken? Ich empfinde das als unglaubwürdig und beschämend. Eine Stichtagsregelung, die rechtstreue Jesidinnen & Jesiden bis zu einem bestimmten Datum vor Abschiebung schützt, könnte der Bundestag jederzeit beschließen.

Hinzu kommt, dass für mich als Christ das Kreuz eben nicht irgendeine Medaille oder ein Bundesadler in Bronze ist. Ich glaube, dass Jesus am Kreuz gelitten hat, damit alle Menschen Liebe und Würde erfahren sollten. Nach meiner Auffassung sollten Staaten oder gar Parteien nur dann das christliche Kreuz verwenden, wenn sie sich wenigstens bemühen, die Menschenwürde zu wahren. Und das kann ich derzeit von Seiten der Bundesrepublik gegenüber den verfolgten Jesidinnen und Jesiden nicht erkennen.

Das ist aber nur meine persönliche Gewissensfrage und ich freue mich für alle anderen Menschen, die ausgezeichnet werden. Es war mir eine besondere Ehre, zur Verleihung des Bundesverdienstkreuzes an meinen Freund und Kollegen Prof. Jan-Ilhan Kizilhan nach Berlin zu reisen und mit ihm und vielen lieben Menschen zu feiern. Er hat es unbedingt verdient! Und ich hoffe weiterhin, dass eines Tages die deutsche Bundespolitik ihren eigenen Beschlüssen wieder so gerecht wird, dass ich dazu nichts mehr erklären muss.

In herzlicher Verbundenheit

und verbunden im Glauben an den Einen Gott und Seine Engel

Dr. Michael Blume, Filderstadt, Baden-Württemberg, 23.5.2025