Die Religionstheorie der Jesiden setzt aus den sorgfältig überlieferten und seit beinahe tausend Jahren unveränderten sakralen Texten und der gelebten Kultur zusammen. Die jesidische Liturgie umfasst unterschiedliche Gattungen mündlich tradierter heiliger Texte, die sich in ihrem Zweck und der Kanonisierungsstruktur unterscheiden. Die Inhalte dieser sakralen Texte wurden zum Schutze der Jesiden in chiffrierter Form übermittelt, es bedarf Schlüsseln zu diesen Texten – der sogenannten Serhatîs (erzählende Prosa), um diese Texte richtig interpretieren zu können. Die unterschiedlichen Gattungen werden nachfolgend aufgeführt, sie haben eine feste und unveränderliche Struktur. Wohingegen die Inhalte der Serhatîs ohne eine entsprechende Struktur weitergegeben werden, sie umfassen gemeinschaftliche und kulturelle Erinnerungen und erklären die Geschichten der jeweiligen heiligen Texte, umfassen also die bedeutsamsten Aspekte der jesidischen Vergangenheit und üben eine identitätsstiftende Funktion aus. Ohne dieses spezifische Hintergrundwissen ist es nicht möglich, die Texte zu verstehen. Die jesidische Sakralkultur kennt folgende Textgattungen:
- Qewl (Hymnen)
- Beyt (Gedichte)
- Qesîd (Botschaften)
- Cendîl (Akkumulation heiliger Figuren)
- Dûa (Gebete)
Jesidische Forschergruppen sind dabei sämtliche mündlich überlieferte religiöse Texte zu verschriftlichen, um so eine Schriftkultur zu entwickeln. Im folgenden sind sämtliche Gebete in der Original-Fassung, frei von politisch motivierten Fälschungen niedergeschrieben. Die Zusammenstellung wurde von einem Expertenteam der jesidischen Theologie aus Georgien durchgeführt. Hier erfährt ihr mehr über ihre Arbeit.