Ende September 2024 wurde die heute 21-jährige Jesidin, genannt Fawzia, im Gazastreifen aus den Fängen ihrer Peiniger befreit. Vor mehr als zehn Jahren war sie während des Völkermordes wie tausende anderer jesidischer Mädchen, Jungen und Frauen von der Terrororganisation „Islamischer Staat“ (IS) brutal verschleppt und in die Sklaverei verkauft worden.
Fawzia war damals gerade mal elf Jahre alt. Dies sollte jedoch nur den Startschuss für eine traumatische Leidensgeschichte darstellen, die sich über mehr als zehn Jahre und über mehrere Landesgrenzen erstrecken sollte. Denn das junge Mädchen wurde von IS-Schergen immer weiter verkauft und schließlich ins Ausland verschleppt – bis in den Gazastreifen, wo sie nun endlich befreit werden konnte. Mittlerweile ist sie wieder mit ihrer Familie im Irak vereint und versucht dort nach der jahrelangen Odyssee wieder im Leben anzukommen.
Die Befreiung rief weltweit Anteilnahme hervor und besonders in den jesidischen Gemeinschaften wurde die Rückkehr der jungen Frau mit großer Freude gefeiert und viele Beobachter und Aktivisten meldeten sich zu Wort. Nun jedoch sorgt eine Videobotschaft (siehe unten in diesem Artikel) der Befreiten für Aufsehen: Fawzia erhebt darin schwere Vorwürfe in Richtung einiger Aktivisten, denen sie falsche Tatsachenbehauptung vorwirft. Unter den von Fawzia beschuldigten Personen befindet sich auch die zweite Vorsitzende des „Zentralrat der Eziden in Deutschland e.V.“, Zemfira Dlovani – eigentlich Rechtsanwältin.
Aus Gaza befreit, von Aktivisten benutzt
Das Video wurde der Stelle für Jesidische Angelegenheiten mit der Bitte übermittelt, über den Sachverhalt aufzuklären und dem verzweifelten Anliegen von Fawzia so Gehör zu verschaffen. Denn seit ihrer Befreiung sieht sich die junge Frau immer öfter auch Drohungen ausgesetzt: Islamisten drohen ihr mit dem Tod. Der Grund ist banal wie erschreckend: sie sei von „den Juden“ [Israelis bzw. IDF, Anm. d. Red.] befreit worden!
Falsche Tatsachenbehauptungen und mediale Inszenierungen durch angebliche Befreier befeuern die angespannte Situation zusätzlich. Die Lage eskalierte in den vergangenen Tagen nun offenbar so stark, dass sich Fawzia genötigt sah, sich direkt an die verantwortlichen Personen zu wenden. So appelliert Fawzia in dem Video an Frau Dlovani: „Ich muss Sie bitten, von dem Versuch abzusehen, diese Leistung für sich zu beanspruchen. Wie wir alle wissen, war das nicht Ihre Arbeit! Zemfira [Dlovani], bitte hören Sie auf zu behaupten, dass Sie mich rechtlich vertreten! Ich schätze zwar Ihre Versuche und Maßnahmen, mir zu helfen, aber sie haben zu keinem erfolgreichen Ergebnis für meine Situation geführt, während ich dort war. Ihre unerbittlichen Behauptungen schaden mir mehr, als dass sie mir helfen!“
Hier ist anzumerken, dass diese Klarstellung vor zwei Tagen von einem jesidischen Aktivisten für kurze Zeit auf X (ehemals Twitter) veröffentlicht wurde. Dieser hat es jedoch wieder gelöscht, nachdem er von mindestens einer Person, die Fawzia hier in ihrem Video nennt, bedroht worden sein soll – und das aus Deutschland aus.
Der Wortlaut der Videobotschaft:
„ Dringende Klarstellung zu meiner Situation:
Lieber Alan Duncan, Ronai Chaker und Zemfira Dlovani,
ich möchte Ihnen meinen Dank für Ihre Bemühungen aussprechen, mir während meiner Zeit in Gaza zu helfen. Leider war es Ihnen trotz Ihrer Absichten nicht möglich, meine Freilassung zu erwirken, da Sie nicht über die notwendigen Kontakte zu höheren Ebenen und Positionen verfügten. Es war die irakische Regierung in Abstimmung mit anderen in Kanada, insbesondere Steve [Maman] und Dawood Jajo, die sich in den USA und anderen Ländern erfolgreich engagierten und den Plan für jeden Schritt der Freilassung und der Ausreise aus Gaza akribisch koordinierten. Ich muss Sie alle bitten, von dem Versuch abzusehen, die Lorbeeren für diese Leistung einzufordern. Wie wir alle wissen, war es nicht Ihr Werk.
Zemfira [Dlovani], bitte hören Sie auf zu behaupten, dass Sie mich rechtlich vertreten! Ich schätze zwar Ihre Versuche und Maßnahmen, mir zu helfen, aber sie haben zu keinem erfolgreichen Ergebnis für meine Situation geführt, während ich dort war. Ihre unerbittlichen Behauptungen schaden mir mehr, als dass sie mir helfen!
Ich fordere Sie alle auf, den Medien gegenüber keine falschen und erfundenen Behauptungen über Ihre Beteiligung an meiner Rettung in Gaza aufzustellen!
Der leichtsinnige und rücksichtslose Umgang des Journalisten Jonathan Spyer mit meiner Geschichte hat mein Leben in Gefahr gebracht. Alan, wenn Ihnen meine Sicherheit wirklich am Herzen läge, würden Sie die Details, die ich Ihnen anvertraut habe, nicht weitergeben. Seit der Veröffentlichung Ihres Artikels, in dem dein Image anscheinend an erster Stelle steht, werde ich nun bedroht und es wird zu meiner Ermordung aufgerufen. Ist Ihnen der Ernst der Lage nicht klar? In Ihrem Artikel fehlt der wesentliche Zusammenhang, wer die wirkliche Rolle bei meiner Rettung gespielt hat, und er erklärt nicht die Konsequenzen, die mir jetzt drohen.
Ich fordere Sie dringend auf, die Konsequenzen Ihres Handelns zu bedenken und diese rücksichtslosen Handlungen gegen mich zu beenden.
Mit freundlichen Grüßen,
Fawzia“