Die Stelle für Jesidische Angelegenheiten traf am 27. April 2023 den Präsidenten des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF), Herrn Dr. Hans-Eckhard Sommer, um über die aktuelle Lage der Jesiden in der Bundesrepublik Deutschland und in den Heimatländern im Mittleren Osten zu sprechen. Bei dem Treffen in Nürnberg holten unser Vorstands- und Gründungsmitglied Maria Mothes und unser Co-Vorsitzender Gohdar Alkaidy Informationen zur Arbeit des BAMF ein und erkundigten sich auch zur aktuellen Anerkennungsquote von jesidischen Antragsstellerinnen und Antragstellern.
Unser Vorstand ist insbesondere im Nachgang unserer erfolgreichen Initiative zur Anerkennung des Völkermordes an Jesiden mit der Frage beim BAMF vorstellig geworden, ob sich seit der einstimmigen Anerkennung des Völkermordes im Deutschen Bundestag am 19. Januar 2023 prinzipiell etwas am Asylstatus für Jesidinnen und Jesiden geändert hat. Der Initiative der Anerkennung des Völkermordes gebühre Respekt und das BAMF kommt der in der Resolution geforderten fortwährenden Schutzgewährung im Widerrufs-/Rücknahmeverfahren überwiegend nach, aber die Resolution des Bundestags sei eine politische Entscheidung ohne rechtliche Folgen, so das BAMF. „Keine Frage, über 300.000 Jesidinnen und Jesiden leben als Binnenvertriebene im Irak in Flüchtlingslagern. Seit dem 20.12.2017 bildet dies jedoch keine Grundlage für die Aufnahme aller Menschen, die in Flüchtlingslagern leben. Jeder einzelne Fall muss individuell geprüft werden“, so Herr Dr. Sommer. „Dennoch ist es uns ein wichtiges Anliegen, bei Asylersuchen von Jesidinnen und Jesiden mit besonderem Augenmerk heranzugehen. So wurden im vergangenen Jahr 42,4 Prozent der Asylsuchenden Jesidinnen und Jesiden ein Schutzstatus gewährt, was eine im Vergleich sehr hohe Quote ist.“ Es gebe darüber hinaus mehrere Gründe, die diese Quote erklären würden: so flössen die Ablehnungen aufgrund des Dublin-Verfahrens in diese Quote ein. „Ein Jeside aus dem Irak, der bereits in Italien Schutz gefunden hat, wird natürlich nach seinem abgelehnten Asylgesuch in Deutschland nicht in den Irak zurückgeschickt, sondern nach Italien, wo er weiterhin auch Schutz genießt“, so der Präsident des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge. Ferner beinhalte diese Quote auch Ablehnungen von Menschen, die sich als Jesiden ausgeben, dies aber nicht nachgewiesen werden kann und auch fallen Ablehnungen aufgrund begangener Straftaten darunter.
Auch der Fall der jungen Jesidin Hayafaa Sharaf Elias, die vor der Terrormiliz Islamischer Staat geflohen war und deren Flüchtlingsschutz widerrufen worden war, wurde thematisiert: die junge Frau sollte abgeschoben werden, nachdem ihr Vater, der seine Familie und somit auch seine Tochter im Rahmen der Familienzusammenführung nach Deutschland gebracht hatte, Selbstmord begangen hatte. In diesem Falle habe das BAMF eine Gesetzeslücke entdeckt, die zum Widerruf der Flüchtlingseigenschaft geführt hätte. „Der Flüchtlingsschutz der Frau Elias wird nicht widerrufen“, so Herr Dr. Sommer. Die Lücke zum Nachteil von Schutzsuchenden sei geschlossen worden.
Am regen Austausch von über 90 Minuten waren des Weiteren Frau Dr. Eva Bund (Leitungsstab), Herr Matthias Henning (Direktor) und Herrn Frank Schimmelpfennig (Abteilungsleiter) beteiligt.
Wir, die Stelle für Jesidische Angelegenheiten, bedanken uns für den sehr herzlichen Empfang, den informativen Austausch und die spannenden Einblicke in die aktuelle Arbeit des BAMF.