Die International Commission on Missing Persons (Internationale Kommission für Vermisste Personen, ICMP) im niederländischen Den Haag hat in Kooperation mit der jesidischen Farida Global Organisation vom 13. bis 14. Mai 2023 eine Konferenz mit jesidischen Nichtregierungsorgsnisationen, Menschenrechtsaktivisten und Völkermordüberlebenden ausgetragen. Die Veranstaltung sollte insbesondere für Angehörige der in Folge des Völkermords von 2014 verschollenen Menschen bewusstseinsbildend sein. Hierzu stand nicht nur die ICMP Rede und Antwort, sondern auch eine irakische Expertendelegation aus der Forensik des irakischen Gesundheitsamtes und aus der Direktion für Märtyrer und Massengräber.
Ferner waren Hawar Hilfswerk, Yazidi Legal Network, Jiyan Foundation for Human Rights, Yezidisches Forum e.V. Oldenburg, NL Helpt Yezidis und die Stelle für Jesidische Angelegenheiten in Deutschland vertreten. Des Weiteren waren u.a. der jesidische Arzt, Aktivist und Aurora-Preisträger Dr. Mirza Dinnayi, Autor und Genozidüberlebender Ferhad Alsilo und weitere Überlebende des Völkermordes wie Hakeema Taha und Farida Khalaf zugegen.
Herr Alexander Hug, Missionsleiter des Irak-Programms der ICMP, sagte eingangs der Konferenz, dass der Einsatz moderner forensischer Techniken ein Schlüsselelement für einen effektiven Prozess sei. Seine Organisation arbeite mit seinen Partnern im Irak zusammen, um sicherzustellen, dass der Prozess von den neuesten forensischen Techniken und von gesetzlicher und institutioneller Unterstützung profitiert und dass er den Familien der Vermissten hilft, ihr Recht auf Wahrheit, Gerechtigkeit und Wiedergutmachung zu sichern.
Trotz der guten Zusammenarbeit zwischen ICMP und den mit den Ausgrabungen der Massengräber betrauten irakischen Organisationen und Behörden, funktioniere der DNA-Abgleich aber nicht gut, sagte Najla Matto, eine Überlebende des Völkermordes, die viele ihrer Familienangehörigen während des Völkermordes verloren hat. „Wir haben kein Blut mehr in unseren Körpern“, sagte die Jesidin der irakischen Delegation. „Über die letzten Jahre wurden viele von uns immer und immer wieder zur Blutabnahme für den DNA-Abgleich einbestellt. Warum wird das überhaupt so oft gemacht?“, fragt Matto. Ferner müsse man dafür in den Irak reisen und manche müssten wochenlang im Irak bleiben, pflichteten ihr andere Überlebende bei.
Das zeigt einmal mehr die Wichtigkeit der Integration von Überlebenden in Diskussionen und Zusammenkünfte von Organisationen und Behörden, die mit dem Schicksal von vermissten Jesidinnen und Jesiden betraut sind. Das sieht auch der Geschäftsführer der Farida Global Organization so, Herr Saeed Qasim Sulaiman: „Wir setzen uns unermüdlich dafür ein, dass Überlebende und Familien von vermissten Personen einen Platz am Tisch haben und aktiv an Diskussionen und Entscheidungsprozessen teilnehmen, mit einem Ansatz, der die Überlebenden in den Mittelpunkt stellt.“ Ergänzend sagt er: „Bei unserer jüngsten gemeinsamen zweitägigen Veranstaltung mit der Internationalen Kommission für vermisste Personen (ICMP) mit dem Titel ‘Awareness Raising Event for Yazidi Families in Europe’ brachten wir Vertreter jesidischer Familien von Vermissten, jesidische zivilgesellschaftliche Organisationen und Vertreter irakischer Institutionen wie der Märtyrer-Stiftung (Direktion für Massengräber) und des Gesundheitsministeriums (Direktion für Medizin und Recht) zusammen. Diese Veranstaltung hat unser Engagement für die Sache der jesidischen Familien und die Aufklärung über ihre Notlage bekräftigt.”
Auch Dr. Mirza Dinnayi bekräftigt die Notwendigkeit des Einschlusses von Völkermordüberlebenden und Angehörigen der Vermissten und sagt im Hinblick auf die zweitägige Konferenz: „Es war eine sehr informative aber auch emotionale Wochenendveranstaltung. Es waren nicht nur Experten und Vertreter der NGOs vertreten, die an der Veranstaltung teilgenommen haben, sondern auch Angehörige der vermissten Personen. Deswegen haben wir auch viele persönliche Geschichten gehört. Wir haben dazu viel gelernt, aber auch Erfahrungen und Ideen gesammelt, wie wir in der nächsten Zeit im Irak vorgehen müssen, vor allem bezüglich der 2700 gekidnappten Jesidinnen und Jesiden, deren Schicksal seit August 2014 nicht bekannt ist.“
Eline de Vos von Yazidi Legal Network unterstrich die Wichtigkeit der Arbeit der ICMP mit jesidischen Organisationen und Familienangehörigen vermisster Personen: „Es war wirklich gut, mit so vielen jesidischen Aktivisten, Überlebenden und Organisationen zusammen zu sein, um Ideen auszutauschen und zu diskutieren, wie man die Familien der Vermissten unterstützen kann.“
Unser Co-Vorsitzender Gohdar Alkaidy bekräftigte in der Sitzung die Bedeutung der Arbeit der ICMP mit den irakischen Institutionen, betonte aber zugleich, den Fokus auf die noch lebenden und in Gefangenschaft gehaltenen vermissten Jesidinnen und Jesiden zu legen.
Die Internationale Kommission für Vermisste Personen (International Commission on Missing Persons) ist eine weltweit tätige Organisation, die das Schicksal vermisster Personen nach Kriegen und Bürgerkriegen aufklärt. Die Organisation wurde 1996 auf Initiative des damaligen US-Präsidenten Bill Clinton in Sarajevo aufgrund des Jugoslawienkrieges gegründet.