Die Jesiden feiern heute – im Jahr 2020 fällt der Tag auf den 18. Dezember – das Fest zu Ehren des „Siltan Êzîd“. Das ist ein Fest in Andenken an seine Erscheinung als eine mystische Figur, die gleichzeitig eine Verkörperung Gottes auf Erden darstellt.
von Sarkis Agojan
Dieses Fest hat einen sehr besonderen Stellenwert für die Jesiden, da Siltan Êzîd der Namensgeber der Gemeinschaft ist. Das Fest „Eyda Siltan Êzîd“ wird am ersten Freitag nach dem alten nahöstlichen julianischen Kalender gefeiert. An diesem Tag erschien die mystische Figur des Siltan Êzîd und trank zum ersten Mal von der Muttermilch. Der gegenwärtige gregorianische Kalender geht dem julianischen Kalender 13. Tage nach, daher fällt dieses Fest meist auf den dritten Freitag eines jeden Dezembers. Der Feiertag darf jedoch nicht auf einen späteren Zeitpunkt als auf den 21. Dezember fallen, weil es dann der zweite Freitag im julianischen Dezember wäre.
Religiöse Feste stehen oft im Zeichen astronomischer Gegebenheiten. Dieses Fest steht im Zeichen der Wintersonnenwende, es markiert den Zeitpunkt einer Wende im Sonnenzyklus und bedeutet für viele Religionsgemeinschaften eine besondere Zeit in ihrem Kalendarium. Da die Tage ab der Wintersonnenwende länger werden, wird in der Vorstellung Gläubiger die Sonne wiedergeboren und die Wintersonnenwende mit der Erscheinung göttlicher Figuren verbunden. Die Jesiden wissen ebenso wenig wie die Christen, wann Siltan Êzîd (Namensgeber der Jesiden) oder Jesus Christus (Namensgeber der Christenheit) geboren sind, sie verbinden die Erscheinung dieser Figuren dennoch mit der Wintersonnenwende, weil der Zeitpunkt schon immer heilig war. Auch viele andere Völker und Religionsgemeinschaften begehen in dieser Zeit ihre Festlichkeiten. Das Licht und damit die Sonnenstrahlen stehen für Erleuchtung und Erkenntnis, was also eine uralte göttliche Symbolkraft innehat. In der heutigen Zeit genießt sie insbesondere noch bei den Jesiden einen hohen Stellenwert, sie beten in Richtung Sonne und sehen sie als das sichtbare Zeichen Gottes.
Vor dem Beginn der Fastentage wird für das Fest alles vorbereitet. Die Wohnstätten werden aufgeräumt, gereinigt und ein Tieropfer wird dargebracht und „Serbira Êzîd“ genannt. Gläubige gedenken an diesen Tagen ganz besonders den Verstorbenen und besuchen Familien, die vor kurzem Angehörige verloren haben. Auch gehen sie zu ihren Şêxs und Pîrs und lassen sich von ihnen segnen.
Im Vorfeld zum Fest wird drei Tage lang gefastet. Es heißt hierzu, dass Siltan Êzîd drei Tage lang nichts aß und nichts trank. In Andenken hieran ist jeder Jeside, der dazu gesundheitlich in der Lage ist, dazu verpflichtet, an diesen Tagen zu fasten. Es sind die einzigen Pflichtfastentage. Gegessen wird vor Sonnenaufgang (Paşîv) und das Fastenbrechen ist nach Sonnenuntergang (Fitar). Tagsüber darf nicht gegessen, getrunken werden. Auch der Genuss anderer Dinge wie das Rauchen, sind verboten. Es heißt auch:
- Çavê xwe rojî (Mit dem Auge fasten)
- Devê xwe rojî (Mit dem Mund fasten)
- Dilê xwe rojî (Mit dem Herzen fasten)
An diesen Tagen solle man sich seiner Begierden und Trieben entledigen und sauber verhalten. Sich seiner Blicke gewiss, seiner Worte bewusst und im Herzen rein sein. Am Festtag wird schließlich reichlich gekocht, gebacken und gemeinschaftlich gefeiert.
Festlichkeiten verbinden und stärken den Zusammenhalt von Gemeinschaften, insbesondere vor dem Hintergrund von Fluchterfahrungen. Aufgrund der Corona-Bestimmungen sind Feierlichkeiten in Gemeindehäusern und allgemein Zusammenkünfte mit anderen Familien leider im Jahr 2020 unmöglich geworden. Wir wünschen dennoch allen Feiernden aller Gemeinschaften besinnliche und friedliche Festtage.