Hisên Begê Dasinî (Hussein Beg Dasini) gilt als eine der bedeutendsten Persönlichkeiten der jesidischen Geschichte. Er regierte im Jahre 1534 von Mossul aus über die Emirate Behdinan mit der Hauptstadt Amediye, sowie Soran mit der Hauptstadt Erbil. So herrschte er also auch über Regionen, die mehrheitlich von Muslimen bevölkert waren. Auf der von uns erstellten Karte ist sein ungefähres Herrschaftsgebiet hervorgehoben. Als religiöses Oberhaupt der Jesiden mit dem Titel Mîr herrschte er über ein weitaus größeres Gebiet, als auf der Karte markiert.

Zur Blütezeit jesidischen Lebens, vom 12. bis zum 17. Jahrhundert, baute die jesidische Elite sieben große Fürstentümer mit einem eigenständigen Verwaltungsapparat auf. Jährlich oder halbjährlich wurden Qewals (ausgebildete Wanderprediger) mit militärischem Schutz aus dem zentralen Machtgefüge und dem spirituellem Zentrum Lalisch in die jesidischen Fürstentümer hinaus entsandt. Sie unterwiesen die jesidische Bevölkerung in der Religion und bekamen dafür Spenden, die nach Lalisch flossen. Jedes dieser sieben Fürstentümer hatte ein spezifisches und einzigartiges „Sincaq“, bronzene Standarte (oben rechts auf der Karte sichtbar). Sincaqs sind eiserne Flaggen und stehen als administrative Symbole für das Machtzentrum Lalisch. Sie unterschieden sich in ihrer Form voneinander und wurden in Lalisch aufbewahrt und gepflegt. Die Delegierten führten das entsprechende Sincaq als Machtsymbol während ihrer jährlichen Pilgerreise durch die jesidischen Fürstentümer mit sich, um die Autorisierung durch Lalisch zu symbolisieren. Die Sincaqs gaben den Qewals ebenso das Recht und die Macht über die Menschen zu richten. Intakt ist nur noch das Fürstentum Sheikhan (Welatsheikh), die anderen Fürstentümer zerfielen im laufe der wechselvollen und von Krieg und Verfolgung geprägten Jahrhunderte.

  1. Tawisa Enzel (Welatsheik – Lalish)
  2. Tawisa Şengalê (die Großregion Shingal)
  3. Tawisa Hekkarê (manchmal auch Tawisa Zozana genannt, sie stand für die auf den Bergen der Region Cizîrê lebenden Jesiden)
  4. Tawisa Welatê Xalta (Gebiete südlich von Van, also die Regionen um Siirt, Batman, Diyarbekir, Mardin, Urfa usw.)
  5. Tawisa Helebê (Kilis, Aleppo, Afrin, diese Region stand unter der Herrschaft der Familie des Sheikh Mend)
  6. Tawisa Tewrêzê (gemeint ist die Stadt Täbriz, gelegen im heutigen Iran. Jesiden lebten im Umland westlich in der Region Khoy)
  7. Tawisa Misqofa (früher war der Name Tawisa Serhedê, der Name wurde nach der Auswanderung der Jesiden dieser Region ins russische Kaiserreich durch den Namen Moskau angepasst, dieser Name findet seit 200 Jahren Verwendung)

Die Jesiden genossen während der Herrschaft des Hisên Begê Dasinî enorme politische und militärische Macht und Freiheiten, die den Jesiden im osmanischen Reich nie zuvor gewährt worden waren. Das berühmte kurdische Geschichtsbuch „Şerefname“ von 1597 vom kurdischen Fürsten Şerefxanê Bitlîsî (Sheref Khan Bitlisi) ist die wichtigste Quelle über das Leben und Wirken des Hisên Begê Dasinî.

Hisên Begê Dasinî entstammt der Qatani-Scheich-Gruppe und war der Sohn von Hassan Beg, der auch als Sultan bezeichnet wird. Hassan Beg erlangte durch geschickte politische und diplomatische Schachzüge enorme Macht, indem er nach der Schlacht bei Tschaldiran zwischen den Osmanen und Safawiden sich 1520 mit den siegreichen Osmanen verbündete und so Mossul unter seine Herrschaft bringen konnte. Bis zu seinem Tod 1534 setzte er seine Macht für eine Befriedung seiner Herrschaftsregion und Verbesserung der Lebensumstände ein. Ab 1534 trat sein Sohn Hisên Beg seine Nachfolge an. Durch ihn erlebte sein Fürstentum eine wirtschaftliche Blütezeit, was ihn über seine Grenzen hinaus bekannt machte und die Jesiden zum Höhepunkt ihrer politischen Macht verhalf. Allerdings machte er sich damit auch viele Feinde: allen voran muslimisch-kurdische Fürsten und Herrscher. Der französische Orientalist und Autor A. Christian schreibt dazu:

„Im Jahre 1534 ernannte Suleyman Qanuni, der osmanische Sultan, Hussein Beg zum Herrscher über die Yeziden. Die Yeziden oder Dasini wurden durch ihren neuen Herrscher so stark, dass der Sultan ihnen die Herrschaft über die Emirate Soran und Erbil überlassen hat. Das war ein Dorn in den Augen der muslimisch-kurdischen Herrscher von Soran und Erbil. Die muslimischen Herrscher der Region, wie Izeddin Scher und Sayfaddin, der Herrscher von Simaqli, kamen zusammen, um eine Allianz gegen Hussein Beg zu bilden.“

Doch Hisên Beg konnte die Angriffe der muslimischen Kurden immer erfolgreich abwehren. Sein größter Widersacher war der kurdische Herrscher Sayaddin Sorani. Einzig mit dem kurdischen Herrscher Bieka Beg, der sich weigerte, gegen Hussein Hisên Begê Dasinî vorzugehen, pflegte er freundschaftliche Beziehungen. Sayfaddin Sorani rief zum „Heiligen Krieg“ gegen Hisên Beg und die Jesiden auf und konnte eine große muslimisch-kurdische Truppe zusammenstellen.

Den Jesiden unter Hisên Begê Dasinî gelang es zunächst, alle Angriffe abzuwehren. Als der jesidische Fürst jedoch 1534 abwesend war – einige Quellen besagen, er hätte Sheikhan besucht, andere wiederum Konstantinopel – nahmen die muslimischen Kurden unter Sayfaddin diese Gelegenheit wahr und griffen Erbil an. Erbil fiel in ihre Hände. Rückeroberungsversuche scheiterten, weil sich die muslimische Bevölkerung den neuen Herrschern anschlossen. Hunderte jesidischer Kämpfer verloren hierbei ihr Leben. Der kurdische Historiker Hussein Huzni Mukriyani schreibt:

„Der Emir Sayfaddin Hussein Pir Budaq, der Herrscher in Simaqli, tolerierte die Herrschaft Hussein Begs keineswegs, und beide wurden zu erbitterten Feinden. In der letzten kriegerischen Auseinandersetzung zwischen den beiden Rivalen konnte Hussein Beg die Oberhand gewinnen. Dem Emir Sayfaddin blieb keine andere Wahl als zum Emir von Erdelan (Bieke Beg) zu flüchten und ihn um Hilfe und Unterstützung gegen den yezidischen Emir zu bitten. Dieser lehnte aber ab, ihn im Kampf gegen Hussein Beg zu unterstützen. Er hatte selbst Angst vor der Rache des osmanischen Sultans. Enttäuscht kehrte Sayfaddin nach Irbil zurück. Dort mobilisierte er die Massen und konnte eine Gruppe von harten Kämpfern aufstellen. Der Emir Hussein Beg befand sich in Konstantinopel (Istanbul), als Sayfaddin die Stadt Irbil mit seinen Kriegern angriff. Der Emir Hussein Beg kehrte sofort zurück, um Ruhe und Ordnung in seinen Emiraten wiederherzustellen. Es kam zu Auseinandersetzungen zwischen den beiden Lagern. Dieses Mal konnte Sayfaddin die Oberhand gewinnen. Mehr als 500 yezidische Krieger wurden getötet. Sayfaddin und seine loyalen Krieger konnten Unmengen von Waffen erbeuten. Durch diesen schnellen Sieg über seinen yezidischen Rivalen konnte er die gesamten Ländereien in den beiden Regionen zurückgewinnen. Als der osmanische Sultan von den Niederlagen des yezidischen Emirs erfahren hat, lud er ihn zu sich und ließ ihn hinrichten. Obwohl der Sultan die anderen kurdischen Herrscher gegen den Emir Sayfaddin mobilisieren konnte, war er nicht in der Lage, ihn zu entmachten. Damit wurde Sayfaddin zu Alleinherrscher ohne Konkurrenten über Irbil und Soran.“

Wie diese Quelle belegt, ließ der osmanische Sultan Hisên Beg nach dieser Niederlage 1566 nach Istanbul rufen und ordnete dann seine Hinrichtung an. Nach seiner Ermordung verloren die Jesiden ihre politische Macht und waren fortan einer neuen Welle von Verfolgung und Unterdrückung ausgesetzt.

Quellen:

Ismail, Alia Bayezid: „Ihre Spuren sind bis heute nicht verwischt: Hussein Beg al-Dassini und Ali Beg, Sohn des Hassan Beg“, in: „Yezidische Helden – Mêrxasên Êzîdiyan“, Oldenburg, 2011, S. 44 – 89.

Guest, John S.: „The Yezidis: A Study in Survival”, London, 1987.

Brennan, Shane und Herzog, Mar: „Turkey and the Politics of National Identity: Social, Economic and Cultural Transformation”, London, 2014.

Acikyildiz, Birgul: „The Yezidis: The History of a Community, Culture and Religion”, London, 2014.

Prof. Barb, Heinrich Alfred: „Geschichtliche Skizze der in der Chronik von Scheref behandelten dreiunddreissig verschiedenen kurdischen Fürstengeschlechter“, 1856.

Azad, Abu: „Das Land der Dassini – ein Symbol des Widerstandes gegen Unterdrückung und Verfolgung“, in: „Yezidische Helden – Mêrxasên Êzîdiyan“, Oldenburg, 2011, S. 13-20.

Hecî, Bedel Feqîr: „Hevrikya Şemsanî, Adanî u Qatanyê li ser mîryatîya Êzidîyan“, Zeitrschrift „Êzdînas 1 – Kovara Navenda Lêkolînên Êzdînasiyê“, Dengê Êzîdiyan, Oldenburg, 2014.

Dr. Reşo, Xelîl Cindi (Dr. Khalil Jindy Rashow): „Mirgeha Şêxan û Şingal û Kilîs“, Zeitschrift „Roj“, 6. Ausgabe, 2003.

Bildquellen:

H. Layard, Niniveh and Babylon, Londra, 1853, s.48.

Kartenvorlage: Image ID : 88034236, zuletzt geöffnet am 06.04.2020, https://www.123rf.com/photo_88034236_stock-vector-iraq-old-treasure-map-sepia-engraved-template-of-pirate-map-stylized-pirate-map-on-vintage-paper-.html