Menschenrechtsorganisationen prangern mit Blick auf die politische, soziale, wirtschaftliche und rechtliche Stellung von Frauen in der Autonomen Region Kurdistan seit Langem gravierende Missstände an. Neben tiefgreifenden strukturellen Problemen sind insbesondere Gewaltverbrechen gegen Frauen und Mädchen im Nordirak immer noch weit verbreitet.
Der jüngste Fall, ein Mord in Erbil, ist besonders erschütternd, weil mit Iman nun eine junge kurdische Frau zum Opfer dieser sinnlosen Gewalt wurde, die sich zuvor selbst für den Schutz und die Rechte von Frauen in der kurdischen Autonomieregion eingesetzt hatte.
Zum Verhängnis wurde der engagierten Frauenrechtsaktivistin, die aus einer muslimischen Familie stammte, dass sie sich dafür entschied, zum Christentum zu konvertieren und sich fortan Mari zu nennen. Diese Entscheidung auf religiöse Selbstbestimmung musste sie mit ihrem Leben bezahlen: Mitglieder ihrer eigenen Familie ermordeten Iman kaltblütig – just zwei Tage vor dem Weltfrauentag.
Bereits im Januar dieses Jahres schlug der Mord an der jungen Trans-Frau Doski Azad international hohe Wellen: auf geheiß ihrer eigenen Familie wurde sie vom eigenen Bruder in Duhok erschossen. Laut einem Bericht von Rudaw vom 07.03.2022 wurden seit Beginn des Jahres 2022 – also innerhalb von 90 Tagen – mindestens 10 junge Frauen in der Region Kurdistan ermordet.
Als Stelle für Jesidische Angelegenheiten wollen wir auf das traurige Schicksal dieser unschuldigen Frau Aufmerksam machen. Wir fordern alle Menschen dazu auf, ihre Stimme für alle kurdischen Frauen, die in der eigenen Gemeinschaft keinen Rückhalt haben und deren Hilferufe nicht gehört werden, zu erheben!
Insbesondere wollen wir diesen Aufruf an diejenigen kurdischen Persönlichkeiten aus Gesellschaft, Kultur und Politik richten, die in der Vergangenheit die jesidische Gemeinschaft öffentlich beschuldigt haben Frauen zu unterdrücken und Frauenrechte mit Füßen zu treten. Einer von ihnen ist der aus der Türkei stammende Sänger Shivan Perwer, bürgerlich Ismail Aygün. Bei öffentlichen Veranstaltungen behauptet er immer wieder, den Jesiden wären ihre Frauen und Töchter nicht viel wert. Angesichts seines ohrenbetäubenden Schweigens bei Verbrechen gegen Frauen aus muslimischen Familien entlarvt er sich dabei nicht nur als Gegner von universellen Frauenrechten – besonders für muslimische Frauen.
In seinen öffentlichen Anschuldigungen verwendet er außerdem Stereotypen, die allen voran von islamistischen Kreisen über Jesiden verbreitet werden. Somit vergiftet er das friedliche Zusammenleben zwischen Jesiden und Muslimen.
Wir trauern daher heute nicht nur um Mari – möge sie in Frieden ruhen – sondern auch um die Freiheit aller kurdischen Frauen.